16.03.09

Ein Blick in die Geschichte

von Jennifer Maurer und Heiko Aumüller

Die NPD-Demonstrationen vor dem Kriegerdenkmal in Gräfenberg, die Hess-Aufmärsche in Wunsiedel oder die geplanten Immobiliengeschäfte der NPD in Warmensteinach – Rechtsextremismus ist in Franken heute noch vielfach präsent. Dies kommt nicht von ungefähr, wie Dr. Eckhart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dokumentationszentrum des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg, weiß.

Erinnerung wachhalten, wie hier am Holocaust-Mahnmal in Berlin. Foto: DBJR

Vielmehr zeigen sich beim Blick in die Geschichte schon im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts politisch radikale rechte Tendenzen, die bis in die 1930er Jahre deutlich zugenommen haben. Westmittelfranken habe sich damals zu einem "durch und durch nationalsozialistisch kontaminierten Raum" entwickelt, schreibt beispielsweise Prof. Dr. Manfred Kittel. Der auf Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts spezialisierte Historiker in München und Professor an der Universität Regensburg verwendete diese Bezeichnung in seiner Veröffentlichung "Provinz zwischen Reich und Republik".

Bereits 1919 gab es laut Dietzfelbinger insbesondere in Ober- und Mittelfranken nationalsozialistische politische Anschauungen, die im Laufe der folgenden Jahre zunehmend Unterstützung fanden und daher immer wieder zum Vorschein kamen. So waren die Wahlergebnisse für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) in den Jahren 1926 bis 1932 in Teilen Frankens oft vierfach höher als im Reichsdurchschnitt. Bei den Reichstagswahlen 1933 erzielte die NSDAP in Mittelfranken dann sogar 51,6 Prozent – das waren fast zehn Prozentpunkte mehr als bei dem Resultat, das die Partei damals bayernweit erreichte.

Auch nach dem Untergang des Dritten Reiches lassen sich rechtsextreme Tendenzen in Franken identifizieren. Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei es, erläutert Dietzfelbinger, zu einer Wiederbelebung rechter Ideologie durch die rechtspopulistische Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV) gekommen. Die WAV habe bei der bayerischen Landtagswahl 1946 in Mittelfranken mit 8,4 Prozent und bei der ersten Bundestagswahl im Jahr 1949 mit 16 Prozent überdurchschnittlich hohe Ergebnisse erzielt, so Dietzfelbinger weiter.

Mitte der 1960er Jahre hätten die rechtsextremen Kräfte durch Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auch in Franken einen neuen Schub erhalten. Die NPD ging im Wesentlichen aus der Deutschen Reichspartei (DRP) hervor, integrierte aber auch zahlreiche nationalistische und rechtsextreme Splittergruppen wie die mittelfränkischen Reste der Vaterländischen Union (VU) und der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD).

Bei Wahlen erreichte die NPD dann nach Informationen Dietzfelbingers in aller Regel genau dort besonders hohe Werte, wo auch schon die NSDAP in der Vergangenheit Erfolge hatte verzeichnen können – zum Beispiel in Fürth-Land, Ansbach-Stadt, Leutershausen und Neustadt a. d. Aisch. Auch die Republikaner (REP), die in den 80er Jahren entstanden, erreichten bei der Eropawahl 1989 in Mittelfranken mehr als 16 Prozent, wie Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik zeigen.

Die Ursachen für die Präsenz der extremen Rechten in Teilen des heutigen Frankens sind ebenfalls historisch gewachsen, wie Dietzfelbinger erklärt. Eine besondere Bedeutung schreibt er dabei den "antibayerischen Tendenzen" zu, die sich mit der Zwangseingliederung fränkischer Gebiete in das Bayerische Königreich Anfang des 19. Jahrhunderts gefestigt haben. Insbesondere die Menschen in Mittel- und Oberfranken hätten sich von Anfang an in ihrem nationalen Zugehörigkeitsempfinden eher dem Deutschen Reich zugewendet und sich weniger mit dem bayerischen Staatsbewusstsein identifizieren können. Dementsprechend habe sowohl in Mittel- als auch in Oberfranken ein ausgeprägter Reichspatriotismus geherrscht.

Aber auch der in Franken stark vertretene Protestantismus habe für die Etablierung rechtsextremer Gesinnung vor allem seit dem Ende des Ersten Weltkriegs eine wichtige Rolle gespielt, hebt Dietzfelbinger hervor. Im Gegensatz zu den katholischen Würdenträgern hätten die protestantischen Geistlichen keine politische Heimat gehabt. Sie hätten für den Umgang mit der nationalsozialistischen Ideologie keine Anweisungen von "oben" erhalten und sich daher eher geöffnet. Viele der protestantischen Geistlichen hätten sich dem Deutschnationalen tief verbunden gefühlt, so Dietzfelbinger weiter. Dadurch seien große Teile der oft weniger gebildeten Landbevölkerung Frankens stark beeinflusst worden. Auf diese Weise sei insbesondere 1930/31 eine Art nationalsozialistisches "Ausnahmegebiet" entstanden, wie in keinem anderen Teil des Reiches betont Dietzfelbinger. Für Mainfranken – das zum großen Teil identisch mit dem heutigen Regierungsbezirk Unterfranken ist – treffe dies nicht zu. Diese Region war im Gegensatz zum restlichen Franken mehrheitlich katholisch geprägt.

Ein weiterer Faktor, der die Etablierung nationalsozialistischer Tendenzen unterstützt habe, sei die Struktur Frankens gewesen, die von Kleinstädten gekennzeichnet war. In Franken lagen nach Informationen Dietzfelbingers ein Fünftel aller Kleinstädte des Deutschen Reiches. Sie seien durch eine mittelständische Bevölkerung und einen gewerblichen Mittelstand geprägt gewesen, der aus Handwerkern, Beamten und Kleinhändlern bestand. Gerade diese Gruppen seien in den wirtschaftlichen Krisenzeiten Ende der 1920er Jahre, die damals als ein Symptom des Versagens der Demokratie angesehen wurden, besonders stark betroffen gewesen. Sie haben im Nationalsozialismus eine vermeintlich bessere Alternative gesucht, wie Dietzfelbinger erläutert.

Außerdem konstatiert Dietzfelbinger schon für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg einen starken Antisemitismus – als Begleiterscheinung wirtschaftlicher Probleme. Der Antisemitismus sei in Franken, wo das Judentum vielerorts überdurchschnittlich stark vertreten gewesen sei, besonders ausgeprägt gewesen. Reibungspunkte habe es vor allem durch die teils monopolistische Beherrschung einiger Wirtschaft-, Handels- und Berufssparten durch Juden gegeben, beispielsweise bei den Viehhändlern oder Medizinern.

Auch heutiger Rechtsextremismus lässt sich nach Ansicht Dietzfelbingers – wie schon unter anderem in den 1920er und 1930er Jahren des 20. Jahrhunderts – auf die Unzufriedenheit mit der wirtschaftspolitischen Lage zurückführen. Um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bewältigen, werde von einigen Menschen ein autoritäres Regierungssystem bevorzugt und rassistisches Gedankengut teils hinter vorgehaltener Hand, teils aber auch ganz offen befürwortet. Solche Entwicklungen fänden sich vor allem in strukturschwachen Gebieten wie in Teilen Frankens wieder.

 

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