Als ich 1945 nach sechsjährigem Exil in das zerstörte Nürnberg zurückkam, hätte ich nie gedacht, dass nach den leidvollen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs wieder einmal rechtsextreme Deutsche von sich reden machen werden. In diesen Tagen müssen wir aber feststellen, dass Alt- und Neonazis keck ihre Häupter recken, den demokratischen Staat in Frage stellen und mit ausländerfeindlichen und antisemitischen Äußerungen sich hervortun. Die zunehmenden Straftaten der rechtsradikalen Szene zeigen heute aber allzu deutlich, dass ich mich damals getäuscht habe.
Umso bedeutender ist es, solchen Bestrebungen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Die jungen Menschen müssen nicht nur gut und ausführlich darüber unterrichtet werden, welche Gräueltaten die Nationalsozialisten während ihrer zwölfjährigen Herrschaft im eigenen Land und darüber hinaus in ganz Europa begangen haben, sondern sie müssen auch erfahren, mit welchen Methoden und Parolen diese Kreise die Bevölkerung irreführen wollen.
Wir brauchen nicht in irgendwelche andere Bundesländer zu schauen, um das Treiben der Rechtsextremisten zu betrachten. Da genügt schon ein Blick vor die eigene Haustür. Was sich seit vielen Monaten in Gräfenberg abspielt, ist eine Zumutung für die Bevölkerung dieses Ortes ebenso wie unsere Gesellschaft. Rechtsradikale bringen nach Belieben das Leben der Gräfenberger durcheinander; sie können nicht einmal durch Gerichte gestoppt werden, weil unser Grundgesetz der Versammlungsfreiheit einen hohen, vielleicht zu hohen Stellenwert einräumt.
So bedienen sich die Feinde der Demokratie der Segnungen des demokratischen Rechtsstaates, um ihr unheilvolles Unwesen zu treiben. Die Initiative von Redakteuren, Studenten und Jugendfunktionären, die sich in dieser Zeitungsbeilage widerspiegelt, ist daher sehr zu begrüßen. Wir alle sind aufgerufen, unseren Staat vor Rechtsradikalen zu schützen und jedweden volksverhetzenden Parolen entgegenzutreten.
Diese Aufgabe stellt sich allen Demokraten heute und morgen. Lassen wir nicht nach, unsere Demokratie mit allen Kräften zu verteidigen.
Arno Hamburger
Vorsitzender der Israelitischen
Kirchengemeinde Nürnberg
Gefördert im Rahmen des Bundesprogramms
"VIELFALT TUT GUT"