16.03.09

Kreuz und Sichelmond

von Heiko Aumüller

Für das Zusammenleben von Deutschen und Einwanderern spielt neben Herkunft und kulturellen Gewohnheiten noch ein weiterer Faktor eine wichtige Rolle: die Religion. Obwohl heute laut dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst/REMID rund 3,5 Millionen Muslime in Deutschland leben, sind deren religiöse Rituale und Gebräuche gerade für Christen manchmal befremdlich. In der Stadt Forchheim gibt es bereits seit 1982 einen Moscheeverein, doch wie kommen Christen und Muslime hier miteinander klar? Was denken sie über sich selbst und die anderen? Ein Gespräch mit Necati Caliskan*, dem Imam der Yunus-Emre-Moschee, und Georg Holzschuh, Pfarrer der Kirche St. Martin, gibt Auskunft.

Imam Necati Caliskan und Pfarrer Georg Holzschuh. Foto: Heiko Aumüller

*wegen der eingeschränkten Deutschkenntnisse hat Coskun Ilgar, Vorstandsvorsitzender des Ditib-Moschee-Vereins Forchheim, übersetzt. 

Gespräch mit dem Imam

Necati Caliskan ist 1969 in der Stadt Bilecik im Nordwesten der Türkei geboren worden. Nach einem Studium der Theologie und einer pädagogischen Ausbildung erhielt er 1988 den Titel des Imam und übte sein Amt über 17 Jahre in seiner Heimatstadt aus. Seit November 2005 arbeitet Necati Caliskan als Imam in der Yunus-Emre-Moschee in Forchheim. In seiner Funktion als muslimischer Würdenträger untersteht er dem Religionsattaché des türkischen Konsulats und darf aufgrund eines deutsch-türkischen Abkommens maximal vier Jahre in Deutschland als Imam tätig sein. Daher wird Caliskan dieses Jahr in seine Heimat zurückkehren.

Welche Eigenschaft unterscheidet den Islam am deutlichsten vom Christentum?

Necati Caliskan: Trotz der Unterschiede haben wir doch auch viele Gemeinsamkeiten. Wir glauben an einen Gott, wir haben alle Gebetshäuser und atmen die gleiche Luft. Der wichtigste Unterschied ist jedoch, dass wir zwar auch an Jesus glauben, doch für uns ist ein Prophet, wie Mohammed oder Abraham. Für uns ist Jesus nicht der Sohn Gottes oder Gott ebenbürtig, weil er ihm nicht gleichwertig sein kann.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit Christen gemacht?

N.C.: Bei den Moscheeführungen gibt es immer wieder Besucher, die sagen, dass der Koran falsch sei und es keinen Propheten Mohammed gab. Das muss man aber auch verstehen, da diese Menschen nicht aufgeklärt sind. Aufgeklärte können dagegen leicht sagen, dass die eben an ihren Gott und wir an unseren Gott glauben.

In Deutschland wird darüber gestritten, ob eine muslimische Lehrerin ein Kopftuch tragen darf, während in vielen Schulen Kruzifixe die Wand schmücken. Wird hier mit zwei Maßstäben gemessen?

N.C.: Man kann einer Muslima nicht sagen, dass sie ein Kopftuch als ihr religiöses Symbol nicht tragen darf, während Kruzifixe als christliches Symbol überall präsent sind. Das ist nicht zu akzeptieren. Mit Verboten kommt man nicht weiter.

Wie ist Ihre Einstellung zu Muslimen, die der Meinung sind, dass der Koran über dem deutschen Grundgesetz steht?

N.C.: Man muss in Deutschland nach den deutschen Gesetzen leben, das ist selbstverständlich. In einem Paragraphen der Vereinssatzung des Ditib-Vereins [Trägerverein der Moschee, Anm.d.Red.] wurde aufgenommen, dass das deutsche Grundgesetz und das deutsche Recht anerkannt und befolgt werden müssen.

Der Islam ist nicht nur eine Religion sondern auch ein rechtlich-politisches Wertesystem. Kann sich der Islam in einer säkularisierten Gesellschaft dennoch voll entfalten?

N.C.: Die Tatsache kommt wohl ursprünglich daher, dass Mohammed nicht nur als Prophet und Vertreter der Religion, sondern auch als Staatsmann gesehen wurde. In der Türkei ist die Trennung von Religion und Staat gegeben und das wird auch vermutlich so bleiben. Was man an dieser Stelle noch sagen muss, ist, dass sich der Islam in einem demokratischen Staat wie Deutschland auch sehr wohl fühlt. Er kann sich hier in einem rechtsstaatlichen System ausleben und ausbreiten.

Wie können zwei Religionen mit Absolutheitsanspruch in einem Staat koexistieren?

N.C.: Natürlich sagt jeder, dass sein Glaube der richtige sei. Und das sage ich auch von mir. Wir Muslime berufen uns darauf, dass der Gesandte Gottes Mohammed der letzte Prophet war und der Koran, die heilige Schrift von Gott gesandt wurde. Wir berufen uns darauf, dass der Islam letzte [aktuellste, Anm.d.Red.] Glaube ist. Das soll aber nicht heißen, dass das jeder anerkennen muss. Wir sollten natürlich jedem den Glauben lassen, den er hat. Erst am Jüngsten Tag – so wie die Christen glauben wir auch daran – wird feststehen, welcher Glaube der richtige war. Das soll dann Gott entscheiden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Verallgemeinerungen gemacht, dass mit Muslimen Gewaltbereitschaft und Terrorgefahr in Verbindung gebracht wird?

N.C.: Das Ansehen des Islam wurde damit sehr geschädigt und es gab auch auf unsere Gemeinde einen gewissen Druck. Viele Menschen, die den Islam nicht kennen und ausleben, bringen ihn mit Terror in Verbindung. Ihnen muss gesagt werden, dass es im Islam ein grundsätzliches Verbot von Terror und dem Töten von Menschen gibt. Es ist ungerecht, dass allen Muslimen ein Bild übergestülpt wird. Man möchte es von sich wegwerfen, wird jedoch immer wieder damit konfrontiert. Man hat den Eindruck, dass einige Leute mit Absicht wollen, dass es so bleibt.

Halten Sie persönlich einen kriegerischen Konflikt zwischen dem westlichen und arabisch-islamischen Kulturkreis für möglich?

N.C.: Früher gab es den Ost-West-Gegensatz, heute ist es wohl so rum. Was die Zukunft bringen wird, das kann nur Gott wissen und entscheiden, mein Wunsch wäre es jedoch, dass weder heute noch in der Zukunft Christen gegen Muslime kämpfen. Das sehe ich auch für alle Menschen auf der ganzen Welt so. Unsere Erde bietet uns so viele Schönheiten. Wieso sollen wir einen Krieg führen? Das hat keinen Sinn. Der Islam ist kein Instrument um einen Krieg zu führen. Alle Religionen auf der Welt sind nicht dafür da, Menschen in den Krieg zu führen, sondern zu ihrem Wohle und zu einem schönen Leben.

Was tun Sie bzw. Ihre muslimische Gemeinde konkret, um die Verständigung zwischen Muslimen und Christen zu fördern?

N.C.: Wir veranstalten an jedem Ramadantag ein Abendessen und laden dazu die Gemeinde mit ihren deutschen Freunden ein – und es werden auch Zeitungsanzeigen gesetzt. Seit vier Jahren haben wir regelmäßig „Kermes“, das ist genauso wie die Kirmes. Wir sind darauf sehr stolz, da sie bisher sehr gut besucht wurde. Wir besuchen regelmäßig die evangelischen und katholischen Kirchen und veranstalten zudem regelmäßig Moscheeführungen.

Gespräch mit dem Pfarrer

Georg Holzschuh wurde 1944 in Burgellern geboren. Er studierte von 1964 bis 1970 Theologie in Bamberg und Tübingen, dort noch unter Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI. Nach Abschluss des Studiums erhielt er die Priesterweihe, wirkte als Kaplan in Röthenbach an der Pegnitz und in Forchheim, war Militärpfarrer in Bayreuth und wechselte schließlich 2003 nach 14 Jahren als Pfarrer in Kronach zur Pfarrgemeinde St. Martin in Forchheim.

Welche Eigenschaft unterscheidet das Christentum am deutlichsten vom Islam?

Georg Holzschuh: Das ist ganz sicherlich die ausdrückliche Nächstenliebe, der Auftrag, dass wir für alle Menschen da sind und zu allen Menschen gut sein sollen.

Welche persönlichen Erfahrungen mit muslimischen Gläubigen haben Sie gemacht?

G.H.: Ich kann mich an ein sehr schönes Erlebnis erinnern. Als der Papst gestorben war, kam eine türkische Abordnung zusammen mit dem Imam zu mir, hat mir ihr Beileid ausgesprochen und vor einem Bild des Papstes in der Kirche Blumen abgelegt, Kerzen angezündet und still gebetet. Das war eine wunderschöne Geste.

In Deutschland wird darüber gestritten, ob eine muslimische Lehrerin ein Kopftuch tragen darf, während in vielen Schulen Kruzifixe die Wand schmücken. Wird hier mit zwei Maßstäben gemessen?

G.H.: In Baden-Württemberg hat man eine stark übertriebene Lösung gefunden. Dort müssen auch Klosterschwestern ohne Schleier unterrichten. Das ist natürlich schon pervers, weil das zu ihrem ganz normalen Leben dazu gehört. Kruzifixe sind nicht mehr recht als billig, da wir unsere Identität durchaus nicht aufgeben sollten.

Wie ist Ihre Einstellung zu Muslimen, die der Meinung sind, dass der Koran über dem deutschen Grundgesetz steht?

G.H.: Diese Meinung lehne ich ab. Das Grundgesetz gilt in diesem Land für alle. Allerdings, wenn im Grundgesetz etwas stünde, was gegen die Bibel und den Glauben der Christen spricht, dann sollte man sich zumindest dagegen wehren. Die Väter des Grundgesetzes waren ja damals alle noch Christen, von daher ist das so nicht gegeben.

Der Islam ist nicht nur eine Religion sondern auch ein rechtlich-politisches Wertesystem. Kann sich der Islam in einer säkularisierten Gesellschaft, wie in Deutschland dennoch voll entfalten?

G.H.: Es würde mir schon Angst machen, wenn er sich so darstellen würde wie in einigen islamischen Ländern, wo Frauen noch unterdrückt werden. Wenn das die Entfaltung des Korans wäre, dann wäre ich schon dagegen. Aber: Die jungen Leute hier sind, bis auf wenige Ausnahmen, von dieser Art des Islam weg.

Wie können zwei Religionen mit Absolutheitsanspruch in einem Staat koexistieren?

G.H.: Die Tatsache ist in sich kein Problem, sondern erst, wenn das Hetzen durch die Fundamentalisten beginnt. Die Menschen sind einfach sehr empfänglich und nur wenige sind in ihrer eigenen Meinung sehr stabil.

Wie finden Sie es, dass Moscheen in „christliche“ Städte gebaut werden?

G.H.: Für mich persönlich ist es schmerzhaft, weil ich denke, wir sind ein christliches Land und schöner wäre es ohne. Nachdem die Muslime aber jetzt schon in Massen hier wohnen, ist es ganz normal, dass sie hier Moscheen haben. Ich freue mich ja auch über jede christliche Kirche, die irgendwo auf der Welt in einem nicht-christlichen Land steht.

Halten Sie persönlich einen kriegerischen Konflikt zwischen dem westlichen und arabisch-islamischen Kulturkreis für möglich?

G.H.: Es gibt Menschen, die diesen Konflikt schüren und dann ist es durchaus denkbar.

Was tun Sie bzw. Ihre Gemeinde konkret, um die Verständigung zwischen Christen und Muslime zu fördern?

G.H.: Wir planen seit längerem ein offizielles Zusammentreffen, wo die Muslime zum Pfarrfest eingeladen sind und zu uns in die Kirche kommen und wir ihnen unsere Gepflogenheiten erklären. Eine Begegnung ist uns schon sehr wichtig. In Predigten mache ich gebetsmühlenartig immer wieder deutlich, dass eine Aburteilung und Ausgrenzung der Ausländer keine Art der Christen ist.

 

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