16.03.09

Heimat zwischen Bauchtanz und Blasmusik

von Kathrin Garbe

„Kara Kedi“ klingt nach 1001 Nacht, es bedeutet „die schwarze Katze“. Gülseren Suzan-Menzel hat der Nachbarskatze diesen Namen nach ihrer türkischen Muttersprache gegeben. „Kara Kedi“ ist das vermutlich egal. Hauptsache, die Nachbarin ist mal wieder da. Die Katze reibt sich an den Beinen der kleinen Frau mit den dunklen Augen. Unter ihrem Mädchennamen Gülseren Suzan veröffentlicht sie Filme, die sie für verschiedene Fernsehsender dreht.

Filmemacherin Gülseren Suzan. Foto: Kathrin Garbe

Heimat spielt in ihren Filmen eine wichtige Rolle, so auch in „Nachbarn“, einem Film über Thuisbrunn, den sie zusammen mit ihrem Ehemann Jochen Menzel gemacht hat. In Thuisbrunn, nordwestlich von Gräfenberg, besitzen die Menzels ein Wochenendhaus. Gülseren Suzan fühlt sich hier, im Herzen der Fränkischen Schweiz, zu Hause.

Sie steht an ihrem Lieblingsplatz hinter dem „Hänsel-und-Gretel-Häuschen“, wie sie ihr Wochenenddomizil nennt. Neben ihren Füßen schlängelt sich links ein Bach durch den Garten, rechts schnurrt „Kara Kedi“. Heimat, das sind für sie Spaziergänge durch die Fränkische Schweiz, das ist fränkisches Brot. Aber vor allem sind es die Thuisbrunner, die Nachbarn. Sie fühlt sich hier ein bisschen wie in der Türkei, alle sind so gastfreundlich. Es interessiert nicht, dass sie in Ost-Anatolien geboren wurde und als 18-Jährige mit ihrer Familie nach Deutschland kam. Sie ist nicht die Türkin, sie ist die Suzan.

Die Nachbarn schauen gerne auf eine Tasse Tee vorbei, den Gülseren Suzan ihnen in türkischen Gläsern serviert. Eine der Nachbarinnen ist Hilde. Wenn sie kommt, bringt sie oft eine Kleinigkeit mit. Diesmal ist es eine Tüte Plätzchen. Hilde ist die Schwiegertochter der beiden Hauptdarsteller des Films „Nachbarn“, die alle nur „die Oma“ und „der Opa“ nennen.

Besonders gerne denkt Hilde an die Hochzeitsfeier der Menzels vor 20 Jahren zurück. Alle Nachbarn waren eingeladen, das Büffet und das Programm türkisch und deutsch gemischt. Bauchtanz wechselte mit urfränkischer Blasmusik der Affaltterthaler Rathausmusikanten. Dass sie diese Hochzeit, die zwei Kulturen auf engstem Raum zusammenbrachte, beeindruckt hat, sieht man Hilde jetzt noch an. „Und die Oma hat noch mit ’m Opa getanzt“, erinnert sich Hilde und blickt zum Flur, wo Gülseren Suzan zwei Bilder von Hildes Schwiegereltern aufgehängt hat. Schwarz-weiß. Wie auf dem Cover des Films. Hildes Schwiegervater ist inzwischen gestorben.

„Mich interessieren Menschen“, sagt Gülseren Suzan. In ihren Filmen möchte sie Schicksale zeigen, nicht erklären. Es mache keinen Unterschied, welchen Glauben ein Mensch habe. Sie sei nie religiös erzogen worden. Ihre türkische Oma habe gesagt, jeder müsse selbst den Weg ins Paradies finden. „Ich wollte mich einfach an ihren Rockzipfel hängen“, erzählt Gülseren Suzan.

Einer der interessanten Menschen für Gülseren Suzan ist die Nachbarin, die „Oma“. Ein fränkisches Urgestein, selbst als staatlich geprüfte Übersetzerin hatte Gülseren Suzan Probleme, „die Oma“ zu verstehen. Kürzlich hat sie gelernt, warum die Thuisbrunner nach „Erdbirnen graben“. „Erdbirnen“ sind Kartoffeln. Dem türkischen Neffen von Gülseren Suzan hat „die Oma“ Deutsch beigebracht, mit Händen und Füßen.

Für Gülseren Suzan ist Sprache das wichtigste Mittel zur Integration und die Bereitschaft dazu, einander kennen zu lernen, der Schlüssel, um in einer Gesellschaft leben zu können. Die Begegnung mit den Thuisbrunnern bezeichnet sie als „Momentaufnahmen des Glücklichseins“, Thuisbrunn als ihre Heimat.

Zur Person

Gülseren Suzan-Menzel wurde 1951 in Diyarbakir (Türkei) geboren und machte in Istanbul ihr Abitur. Mit ihrer Mutter kam sie 1970 nach München. Sie ließ sich zur Übersetzerin ausbilden. Seit 1989 ist sie deutsche Staatsbürgerin. Als Sozialarbeiterin für Einwanderer bei der Arbeiterwohlfahrt betreute sie Fernsehserie und entdeckte ihre Liebe zum Film. Mit Ehemann Jochen Menzel betreibt sie seit 1993 eine TV-Produktionsfirma. Einer der ersten Filme war „Als die Gäste blieben – Türkisches Leben in Forchheim“ von 1994, der für den Civis-Preis für integrativen Journalismus nominiert war. Im März wurde zuletzt auf dem Nürnberger Filmfestival Türkei/Deutschland ein Film der Menzels gezeigt, der von einer Syrerin in Ermreuth erzählt.

 

Suche

Kooperationspartner


Gefördert im Rahmen des Bundesprogramms
"VIELFALT TUT GUT"

Video