16.03.09

Vielfalt statt Einfalt

von Katherine Lukat

Mit dem Lokalen Aktionsplan im Rahmen des Bundesprogramms "Vielfalt tut gut" macht sich der Landkreis Forchheim stark gegen Rechts.

Angst zeigt sich auf dem Gesicht des etwa 15 Jahre alten Mädchens. Ihr Körper ist ausgemergelt, ihre Kleidung abgewetzt. Hunger treibt sie. Leise schlüpft sie durch ein Loch in der Mauer, die das Ghetto von Theresienstadt umschließt. Auf der anderen Seite ist das Leben noch süß. Die Läden sind voll mit Leckereien, die Menschen frei. Sie muss sich beeilen, denn die schwarzen, unbarmherzigen Stiefel der Männer in den braunen Reiterhosen können sie überall einholen. Was sie dann erwartet, sind Schmerzen und Tod. Das weiß sie, schnappt sich alles Essbare und läuft schnell zurück.

Das Mädchen ist Hauptakteurin einer Szene in dem Theaterstück "Ich möchte gerne hundert werden", das von der Jugendgruppe "CREAtief" auf der Bühne des Jungen Theaters Forchheim (JTF) gespielt wurde. Das Stück erzählt die Geschichte einer Gruppe von Kindern, die im Dritten Reich in einem Kinderheim des Ghettos Theresienstadt leben. Sie müssen sich täglich gegen die Grausamkeit der Nationalsozialisten wehren und gegen den Hunger kämpfen. "Das Stück haben die neun Mädchen um Regisseurin Sandra Fleige, Theaterpädagogin am Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater, selbst entworfen", sagt Wolfram Weltzer, Vorstand des JTF.

Diese Mühe wurde belohnt. Neben ausverkauften Vorstellungen schaffte es das Theaterstück als eines von etwas mehr als 20 Projekten des "Lokalen Aktionsplans" im Landkreis Forchheim in das Bundesprogramm "Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie". Damit unterstützt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nun schon seit acht Jahren Projekte für Zivilcourage und Engagement gegen Rechtsextremismus. Auch davor gab es ähnliche Bundesprogramme, beispielsweise "Entimon" oder "XENOS".

Seit Ende 2007 wird der "Lokale Aktionsplan" im Landkreis Forchheim im Rahmen von "Vielfalt tut gut" gefördert. In Deutschland erhalten gegenwärtig insgesamt 90 "Lokale Aktionspläne" finanzielle Mittel im Rahmen von "Vielfalt tut gut" – in Bayern werden neben dem Landkreis Forchheim auch der Landkreis Cham und die Städte Regensburg und Kaufbeuren unterstützt.

Auf "braunes" Gedankengut aufmerksam machen und Augen öffnen, das ist auch das Anliegen von Ursula Albuschkat, der lokalen Koordinatorin von "Vielfalt tut gut" im Landkreis Forchheim. Als Kreisjugendpflegerin, die beim Kreisjugendring (KJR) Forchheim angestellt ist, kommt sie mit dem Thema Rechtsextremismus oft in Kontakt, liegt doch gleich vor der Haustür der Brennpunkt Gräfenberg, wo seit November 1999 regelmäßig Anhänger der rechtsextremen Szene ihre Gesinnung bei Demonstrationen zur Schau tragen. "Die Rechten, die dort aufmarschieren, stammen nicht aus Gräfenberg, sondern sind Rechtsextremisten aus unterschiedlichen Ortschaften, auch von weiter weg, die herangekarrt werden", sagt Albuschkat. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und besonders den Jugendlichen einen Weg hin zu Toleranz und Demokratie zu zeigen, betont sie weiter.

Bislang wurden 21 sehr unterschiedliche Projekte in Forchheim und Umgebung umgesetzt. "Es sind erfreulich viele Akteure gewesen, die damit deutlich gemacht haben, dass Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in unserem Landkreis keinen Platz haben", resümiert Landrat Reinhardt Glauber. Dazu gehörten zum Beispiel die Veranstaltungen zu gewaltfreier Konfliktbearbeitung im öffentlichen Raum des Fränkischen Bildungswerkes für Friedensarbeit e.V. sowie die Workshops des Jugendhauses "Burg Feuerstein", die sich unter dem Motto "Stark und nicht allein" für Demokratieerziehung und gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus einsetzten.

Weitere Projekte waren die Multiplikatorenfortbildung für Lehrer der Kolping-Bildungswerk Forchheim und die Interkulturelle Weihnachtsgeschichte, die vom KJR Forchheim in Zusammenarbeit mit dem Figurentheater Regenbogen für Kinder im Grundschulalter erzählt wurde. Manche Projekte richteten sich auch gezielt an die Öffentlichkeit – wie diese Sonderbeilage der Nordbayerischen Nachrichten, die in Kooperation mit dem KJR Forchheim und dem Fach Kommunikationswissenschaft an der Universität Bamberg erstellt wurde.

Auch die Zielgruppen waren verschieden: So richteten sich die Projekte nicht nur an Kinder und Jugendliche, sondern auch an deren Umfeld. "Den Kindern und Jugendlichen die Werte Toleranz und Demokratie näher zu bringen, reicht lange nicht aus. Auch Eltern und so genannte Multiplikatoren, also Lehrer und Erzieher, müssen sensibilisiert werden", erläutert Albuschkat.

Dafür standen dem KJR im vergangenen Jahr, dem ersten Förderjahr des "Lokalen Aktionsplans" im Landkreis Forchheim, insgesamt 130.000 Euro zur Verfügung. Auch diesem Jahr soll unter dem Motto "Vielfalt tut gut" weiter gegen Rechtsextremismus im Landkreis vorgegangen werden – bestätigt durch den Erfolg des bisherigen Engagements. "In einem ersten Schritt haben wir durch gezielte Projekte auf das Problem Rechtsextremismus im Landkreis Forchheim aufmerksam und das Bundesprojekt bekannt gemacht, doch das reicht nicht aus", sagt Ursula Albuschkat, "man muss auf diesem Gebiet einfach aktiv bleiben."

Diese Ansicht teilt auch Andreas Aumann, Pressesprecher des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Aktuell sei zwar keine Zunahme, eher ein leichter Rückgang rechter Straftaten zu verzeichnen, so Aumann. "Trotzdem sollte das Aufkommen von Rechtsextremismus in Deutschland nicht marginalisiert werden", betont er. Die mündliche Zusage für die Förderung in diesem Jahr erreichte den Kreisjugendring Forchheim bereits am 8. Dezember 2008. Darüber freute sich auch Landrat Reinhardt Glauber sehr. Er wünscht sich für das zweite Förderjahr weiterhin Engagement, viele gute Ideen und dass möglichst viele – vor allem junge Menschen – im Landkreis Forchheim erreicht werden.

Das Junge Theater Forchheim und die Jugendgruppe "CREAtief" werden 2009 mit ihrem Stück "Ich möchte gerne hundert werden" jedoch nicht nochmals Teil des "Lokalen Aktionsplans" sein. Denn für jedes Projekt ist nur eine einmalige Förderung durch das Bundesprogramm vorgesehen. Einen Beitrag zum Kampf gegen Rechts hat die Theaterinszenierung aber in jedem Fall geleistet.

"Die Darstellung der Emotionen, des ganzen Drumherums, des harten Alltags, all das hat den Zuschauer richtig mitgenommen", schildert Wolfram Weltzer seine Eindrücke vom Theaterstück. Die Schrecken des Nazi-Regimes haben wachgerüttelt und klar gemacht: Rechtsextremismus ist keine politische Alternative.

 

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